Bevor wir loslegen ein Wort zum Beitragsbild. Es ist – natürlich – KI-generiert. Die KI habe ich dazu mit dem folgenden Text „gefüttert“ und sie hat erstaunlich treffsicher das Beitragsbild daraus gemacht. Die Personen auf dem Bild, Kind in Schublade inklusive, haben somit nichts mit meiner Frau, meiner Tochter und mir gemeinsam. Nicht einmal die Haarfarben stimmen. Ich habe ja nicht einmal Haar.


Als ich die Tür zum Wohnzimmer öffne und eintrete, fällt mir sofort auf, dass etwas anders ist. Etwas Bedrohliches liegt in der Luft. Meine Blicke – ich habe mehrere – wandern durch den Raum. Zunächst wandert mein freundlich-argloser Blick durch das untere Drittel des Zimmers. Da mir nichts weiter auffällt, nehme ich mir das mittlere Drittel vor und scanne es mit meinem skeptischen Blick. Und auch hier fällt mein Ergebnis positiv aus: nichts Auffälliges. Und so setze ich meinen grimmigen Blick auf und lasse ihn durch das obere Drittel wandern. Und da sehe ich sie: die Spinne, wie sie unter unserer Zimmerdecke sitzt.

Wie albern, denke ich, Spinnen mümmeln sich in Zimmerdecken ein … und erstarre vor Schreck, denn ich gehöre zu den normalen Menschen, die die natürliche und selbstverständliche und angeborene Angst vor Kleintieren haben, die in das Habitat des Menschen eindringen.

Und so stehen wir beide da: Sie mit dem Kopf nach unten auf acht Beinen, ich mit dem Kopf nach oben auf zwei Beinen. Wir starren uns an. Ich mit zwei Augen, ganz normal, und sie mit …

„Wie viele Augen haben Spinnen?“, rufe ich Richtung Küche, wo ich meine Frau vermute, „Hundert?“

„Waaaas?“, ruft sie zurück.

„Wie viele Augen Spinnen haben. Tausend? Haben Spinnen tausend Augen?“

„Ja, doch“, ruft sie nur zurück und sagt dann vermutlich zu meiner Tochter „und das passiert, wenn die Schublade überraschend aufgeht.“

Ich nehme an, meine Tochter hat sich wieder an einer Schublade hochgezogen, die sich dann für sie überraschend geöffnet hat. Das führt zur Zeit immer dazu, dass meine Tochter den Halt verliert und auf den Fliesenboden der Küche kracht. Großes Theater, großes Hallo. Jedes Mal stehen wir kurz vor einer Fahrt ins Krankenhaus.

Da meine Frau offenbar mehr mit den Entwicklungsrückschritten meiner Tochter beschäftigt ist, werde ich mich wohl alleine um das Problem unter der Zimmerdecke kümmern. Zunächst einmal gilt es, Ruhe zu bewahren. Da sie zehntausend Augen hat, sieht die Spinne mich vermutlich zehntausendfach und hält mich damit für in der Überzahl. Ich habe somit sicher noch Zeit für eine biologische Bestimmung. Ich nehme mein Handy und fotografiere das Tier, um es mit Google Lens zu bestimmen. Und das Ergebnis ist schockierend eindeutig: Laut Google handelt es sich um die Nosferatu-Spinne.

„Nosferatu-Spinne!“, rufe ich zu meiner Frau, „Wir haben eine Nosferatu-Spinne hier hängen!“

„Sind die gefährlich?“

„Ja, was glaubst du denn, können wir von einer Spinne mit einem solchen Namen erwarten? Muss hier erst eine Hitler-Spinne hängen?!“

„Dann mach sie weg!“

Wenn die springen oder sogar fliegen kann, bin ich gerade in größter Gefahr, wird mir klar. Schmunzelnd denke ich an die Menschen, die sich nun ein Glas und ein Blatt Papier schnappen und das Tier zärtlich im Garten aussetzen würden. Für diese Luxus-Handlungen ist hier keine Zeit, hier geht es nicht um einen Weberknecht, hier geht es um die Nosferatu-Spinne, deren Bisse sofort zum Tod führen. Dabei denke ich mehr an mich als an meine kleine Tochter. Die ist ohnehin verloren, wenn sie auch nach dem zehnten Schubladen-Sturz noch nicht die Funktionsweise einer Schublade begriffen hat.

Nehme ich meinen Hausschuh? Ein ordentlicher Schlag und die Bestie mit den tausend Augen wäre nur noch ein Flecken an der Raufasertapete. So ein Flecken wäre überaus ärgerlich. Also Staubsauger? Das durchschaut sie doch sofort. Wenn ich hier plötzlich anfange zu saugen, das macht sie doch misstrauisch. Sobald ich mich ihr mit dem Rohr nähere, fällt sie mich doch an. Mit der Sprungkraft von acht Beinen und einer Zielerfassungspräzision von vermutlich Abertausenden Augen! Meine Frau muss es erledigen. Sie ist mehr eine Macherin, ich bin für die Theoreme zuständig. In solch brenzligen Situationen ergibt es keinen Sinn, bewährte Rollenverteilungen umzudrehen. Was käme als nächstes? Ich schlage einen Nagel in die Wand?!

Ich gehe in den – Achtung! – Hauswirtschaftsraum und hole den Staubsauger. Ich stecke das Netzkabel ein und aktiviere den Motor. Vom Rohr nehme ich das Saugstück an, lege das Rohr auf den Tisch und gehe in die Küche.

Dort finde ich meine niedlich verweinte Tochter vor, die vom Aufprall noch etwas benommen ist. Und sage meiner Frau, dass alles bereitsteht. Sie müsse nur noch den Abzug drücken.

„Also die Spinne dem Rohr zuführen“, erkläre ich.

Beide gehen wir rüber, während sich meine Tochter wieder an der Schublade hochzieht. Meine Frau greift zum Rohr und entfernt souverän das Tier. In der Küche rummst es und meine Tochter bricht in hörbare Tränen aus. „Ich gehe schon“, sagt meine Frau und drückt mir das Rohr in die Hand.

Nun stehe ich da mit dem Staubsauger, der der Nosferatu-Spinne zum Gefängnis geworden ist. Und ich überlege. War das schlau? Was, wenn die Spinne mit der Orientierung von tausend Augen wieder aus dem Staubsauger kriecht? Selbst wenn sie sich durch ein Einsaugen sechs Beine gebrochen hat, hätte sie noch zwei funktionstüchtige, um wieder hinauszuklettern. Und wo genau ist sie eigentlich? Ist sie überhaupt im Staubauffangbehältnis?

Der Sauger ist relativ neu und steckt voller Filter. Wo Staubsbauger früher maximal einen Filter hatten, haben sie jetzt so viele wie Spinnen Beine. Ich weiß das, weil ich sie alle schon ersetzt habe. Miele lässt sich das gut bezahlen: den Nebenluftregler, den Staubraumfilter, den Distanzhalterfilter, den Filterrahmen, den AirClean-Filter, den SilenceAirClean-Filter, den Hygiene-Filter und den Feinstaubfilter. Muss alles regelmäßig ersetzt werden. Ich werde nachdenklich. Zum einen realisiere ich, wie absurd es ist, dass man sich darüber freut, endlich einen Sauger zu besitzen, der keine Staubbeutel mehr benötigt, die man immer wieder nachkaufen muss, der aber gleichzeitig einer Vielzahl von immer wieder zu erneuernden Filtern bedarf … Und ich frage mich, ob so große Teile wie Nosferatu-Spinnen überhaupt eingesogen werden oder von einem der zahlreich vorgeschalteten Filter aufgehalten werden?

„Verdammt“, murmele ich, „Wo ist noch mal der erste Filter? Direkt im Rohr? Dann wäre die Spinne noch im Rohr!“

Nachsehen kann ich nicht, denn: Was, wenn die Spinne mich dabei überrascht?! Ich entscheide, den Staubsauger wieder einzuschalten, um einen dauerhaften Sog zu gewährleisten, der die Spinne daran hindern soll, wieder aus dem Rohr herauszukrabbbeln.

Ich informiere Sabrina USA. Sabrina USA lebt in den USA und ich darf sagen, dass wenn ich einen Seelenverwandten habe und an diesen Begriff glaube, dass dieser dann zweifellos Sabrina USA ist. Und so bin ich mir sicher, dass ich bei ihr in dieser Sache auf Verständnis stoße.

„Sie ist nun im Staubsauger. Sie lebt noch. Was nun? Staubsauger an die Straße stellen und neuen kaufen?“, schreibe ich.

Sie ist nicht online. Ich beschließe, den Sauger eingeschaltet zu lassen, bis sie mir antwortet. Schließlich sind da sechs Stunden Zeitverschiebung …

Sechs Stunden später macht mein Handy ping. Sabrina USA schreibt:

„HAHAHHAAHHAHAHAHAHAHAHA!“

Gut, denke ich, sie hat den Kern der Geschichte erfasst, nicht aber ihren Ernst. Aber wie ich sie kenne, ist sie gerade erst frisch wach und hatte noch keinen Kaffee. Ich gebe ihr noch ein, zwei Minuten. Und die nutzt sie offenbar wirklich für Kaffee und rät nüchtern und objektiv wie immer:

„An die Straße. Aber nicht an Eure Straße. Weiter weg.“

Ich gehe zu meiner Frau, die gerade Pflaster im Badezimmer sucht und setze sie davon in Kenntnis, dass wir irgendwo neu anfangen müssen.

„Oder den Staubsauger hier und jetzt in die Luft sprengen.“

„Hier? In unserem Badezimmer?“

„Nein, draußen. Auf der Straße. Auf einer anderen Straße.“

„Und wie?“

„Ja, sprengen halt. Wie sprengt man eigentlich? Ständig sprengt doch irgendwer irgendwas in die Luft. Oder braucht’s dafür jetzt auch Drohnen? Herrgott, da will man einmal etwas sprengen und steht da wie der Ochs vorm Berg. Kein Wunder, dass wir leichte Beute der Russen sind. Der Russe kommt mit Drohnen – und wir saugen sie auf. Eigentlich keine so schlechte Idee. Ich mache da mal bei Gelegenheit ein, zwei Skizzen fertig.“

„Gut, aber bis dahin sollten wir uns um die aktuelle Spinnenbedrohung kümmern“, rät sie.

Meine Tochter kommt angekrabbelt. Es geht ihr scheinbar wieder etwas besser und um die Blutspur kümmern wir uns später. Ich nehme sie hoch und sie lacht wieder. Hoooooooiiiii, rufe ich, und werfe sie in die Luft. Sie lacht! Hoooooooiiiiiii! Und wieder lacht sie. Hooooiiiiii …

„Pass auf, der Türrahmen!“, ruft meine Frau noch, aber da war es zu spät. Das passiert mir ständig, dass ich beim Hochwerfen meiner Tochter die Türrahmen vergesse …

„Ich hole die Kühlakkus“, sagt meine Frau, „spreng du derweil den Staubsauger in die Luft … oder warte, ich habe eine Idee.“

Nachdem meine Frau unsere Tochter versorgt hat, verteilt sie eine handvoll Körner auf dem Küchenboden. Und saugt diese mit dem Staubsauger auf.

„Der Körnerregen wird sie umbringen!“, sagt sie dabei diabolisch. Und weil diese Geschichte eine wahre ist, habe ich diese Szene im Video, da ich sie direkt Sabrina USA schicke.

Großartig, denke ich! Teufelsfrau! Erschlägt sie die Spinne mit einem Müslihagel!

Sabrina USA sieht das Video und macht uns auf eine mögliche Gefahr aufmerksam:

„Ihr füttert sie! Ihr füttert die Bestie doch nur damit!“

Das ist nun alles vier Wochen her. Wir wohnen derzeit in einem Hotel.

Dieser Text ist Teil der Vollständigen Edition. Weitere Texte von Seppo auf www.seppo.blog.