Der Sommer 2028 ist wie eigentlich jeder Sommer der vergangenen Jahren der bislang heißeste seit Wetteraufzeichnung. Glaube ich, denn nach dem Zusammenbruch der schwarz-roten Regierungskoalition im letzten Jahr, heute als Übergangskoalition bekannt, hat die AfD das Aufzeichnen von Wetterdaten untersagt. Ziel sei gewesen, dass schon 2028 auf die Weise nicht mehr als heißester Sommer in die Annalen der Wetteraufzeichnungen eingehen könne. Ziel erreicht und daher gibt es auch keine Klimapolitik mehr.

Unsere Tochter wird in diesem Jahr vier Jahre alt. Und da sie nach dem 31. August geboren ist, müssen wir sie in diesem Jahr zum BDSM anmelden, zum Bund Deutscher Storch Mädel. Im Prinzip eine Wiederauflage des BDM aus der ersten NS-Zeit vor rund 100 Jahren, als sich die Vorgänger-Organisation der AfD am Tausendjährigen Reich versucht hatte. Nun versucht es eben die AfD, und zwar in einer Regierungskoalition aus AfD und der Spahn-CDU. Jens Spahn hat vergangenes Jahr, 2027, Merz gestürzt, wenn auch irgendwie versehentlich. So richtig aufarbeiten will das inzwischen niemand mehr, letzte Versuche hatte es in der SPD gegeben, aber auch der Anlauf verlief im Sande, nachdem die SPD verboten worden war. Vor einigen Jahren noch undenkbar – oder vielleicht ganz im Gegenteil: vorhersehbar. Es trifft immer zuerst die Standhaften. Selbst Kanzlerkandidat Spahn hatte damit wohl nicht gerechnet, und nun als Finanzminister ist ihm das eh egal, da er immer nur das eine Ziel hatte: unbedingt mit der AfD das Land zu regieren. Anders als alle anderen hat er aber nicht damit gerechnet, dass es für die CDU nur zum Juniorpartner reichen würde. Immerhin Juniorpartner, verpasste die AfD doch nur knapp die absolute Mehrheit. Aber auch ohne diese können die Faschisten durchregieren, da die CDU – wieder einmal -Steigbügelhalter der Nazis war und ist.

Beatrice von Storch wollte Außenministerin werden. Sie wurde allerdings abgespeist und leitet nun eben den neuen BDM, den BDSM. Über diese Abkürzung hat sich offenbar niemand bei den Braunen im Vorfeld wirklich Gedanken gemacht. Auch Alice Weidel vermutlich nicht, die ganz andere Sorgen hat. Nach dem Wahlsieg der Braunen, den sie als Kanzlerkandidatin vermutlich mitbewirkt hat – trotz ihres reichlich unintelligenten Auftretens und vermutlich wegen ihrer hasserfüllten Tiraden gegen alles, was nicht bei 88 auf dem Baum sitzt, wurde sie urplötzlich geschasst: Kanzler wurde Björn Höcke. Gehe nicht anders, sagte er damals, wegen des Erlasses gegen Homosexualität. Frau Weidel saß wenig später in einem Zug der DB, die wegen eines Erlasses nicht mehr Deutsche Bahn, sondern DeportationsBahn heißt. Jens Spahn war da vorausschauender, er ist glücklich verheiratet mit Beatrice von Storch und kann sich nicht an gleichgeschlechtlichen Verkehr erinnern.

Überhaupt die DB, sie war Gegenstand des Wahlkampfes, des wohl letzten Wahlkampfes in der abgewickelten Bundesrepublik. „Mit dieser unzuverlässigen Bahn sind Deportationen schlicht nicht zu machen!“, erklärte Weidel damals ausführlich im Sommerinterview der ARD, die damals in ihrem letzten Jahr sendete, bevor der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk per Erlass abgewickelt worden war. Das gesparte Geld der Bürger können die nun in den russischen Streamingdienst „RussiaTomorrow“ investieren. Das tun sie auch, da „westliche“ Streamingdienste wie Netflix oder Disney+ im deutschen Internet gesperrt wurden. Per Erlass. Es wäre der Sache undienlich, schließlich wolle man sich als Neudeutsches Reich voll in den russisch-westasiatischen Wirtschaftsraum integrieren, ganz so, wie es die atomar verseuchte Ukraine 2026 nach der Niederlage auch vollkommen freiwillig getan hatte.

Noch hapert es ein wenig mit den Deportationen, die übrigens unter dem Applaus vieler Deutscher (die schon morgen nichts davon werden mitbekommen haben wollen) unmittelbar nach der Machtergreifung angelaufen waren. Voll bis oben hin haben sie die Waggons der alten ICE-Züge mit „undeutschem Biomaterial“ gestopft, wie sie es ausdrücken, mit dem Ziel: „Lager für Spiel und Aktion“. In seiner letzten freien Ausgabe schrieb das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ freimütig von der Rückkehr der Konzentrationslager, was der neuen Regierung missfiel. Per Erlass wurde das Erscheinen des Spiegels untersagt. Wenn das der Augstein wüsste! Jedenfalls wird gemunkelt, dass die Deportierten teilweise mit bis zu sechs Stunden Verspätung die Lager erreichen würden. Manche Deportationen würden sich sogar um mehrere Tage verzögern! Björn Höcke schäumt regelmäßig vor Wut, wird berichtet. Überhaupt hört man immer wieder, dass der neue Reichskanzler wenig Spaß verstehe. Und angeblich habe er nur einen Hoden! Seltsam, dass den größten Führern aller Zeiten immer anhängt, sie hätten nur einen Hoden. Ich meine, da hat man es bis nach ganz oben geschafft – und worüber reden die Leute? Über fehlende Hoden! Tatsächlich hat mir Merugin kürzlich erzählt, sie hätten seinen Nachbarn deportiert – nur weil der sich über den angeblich fehlenden Hoden lustig gemacht hätte! Man ist ganz generell derzeit gut beraten, in der Öffentlichkeit seinen Mund zu halten. Mein Eindruck ist, die deutsche Bevölkerung ist eine voller Hass und Fremdenfeindlichkeit. Ich hatte schon 2025 so ein ungutes Gefühl …

Aus nationalsozialistischfaschistischer Sicht sind Lager natürlich eine tolle Sache, die Lösung für alles. Scherzhaft nennen sie es auch die „Heimatländer“, wenn sie Menschen mit Migrationshintergrund dort hin verfrachten. Derweil sind die Reichsgrenzen praktisch hermetisch abgeriegelt, niemand kommt raus, niemand mehr rein. Das führte zur absurden Situation, dass es an Arbeitskräften mangelt, die die Arbeitslager weiterbauen könnten. Nachdem im Prinzip sämtliche Wirtschaftszweige, die dieses Land einmal großgemacht hatten, zusammengebrochen waren, fanden sich kaum noch Erwerbstätige, die Konzentrationslager errichten konnten. Der AfD dämmerte, dass das Deportieren weniger einfach ist, als sie selbst geglaubt hatten. Nur mit der Hilfe der russischen Freunde gelangen wahrlich beachtliche Prachtbauten!

Meine Tochter und ich gehen zur „Stelle für Zentralregister-Registrationen“. Es war einfacher, als es noch Bürgeramt hieß. Dort wird sie dann für den BDSM erfasst, da ihr nur auf die Weise eine frühkindliche Erziehung im Sinne des neuen Führers zuteil würde. Wir freuen uns beide sehr darauf, denn die Alternative würde uns binnen Kurzem in einen überfüllten Waggon der DeportationsBahn bringen. Wir haben das bei Freunden erlebt. Die hatten sich offen gegen die fantastische AfD ausgesprochen, die übrigens mit dem Slogan „Wir sind gleicher als gleich“ in den Wahlkampf gezogen war. „Animal Farm“ wird meine Tochter nicht mehr lesen können, denn per Erlass wurden nicht wenige Bücher verboten. Und nur wegen einer noch nicht getilgten EU-Feinstaubrichtlinie wurden bislang keine Bücher verbrannt. Nach der Abwicklung der EU (per Erlass), die bis voraussichtlich 2033 erfolgt sein wird, gilt auch diese lästige Richtlinie nicht mehr, sodass wir dann endlich wieder Bücher verbrennen können.

„Warum muss ich zum BDSM?“, fragt mich meine Tochter.

„Wegen der Großen Mutter Beatrix! Sie möchte alle Kinder zu sich holen!“, erkläre ich und merke, wie bedrohlich das klingt. Dabei sollte es irgendwie niedlich klingen, um es meiner Tochter so einfach wie möglich zu machen.

„Zuhause sagst du doch immer, Beatrix von Storch ist eine Kackbratze mit Reichshackfresse!“

„Oh, das sagen wir hier aber nicht laut. Das sagen wir am besten gar nicht mehr. Wir lieben die Große Reichsmutter. Sprich mir nach: Wir lieben Dich, oh du große, wunderschöne Reichsmutter!“

Meine Tochter verdreht die Augen. Sie denkt, ich scherze. Und ahnt nicht, dass es um Leben und Tod geht.

Man muss wieder aufpassen, was man sagt. Kinder werden wieder ungewollt zu Verrätern gemacht, dazu ermutigt, ihre Eltern zu verraten, wenn die sich gegen die AfD stellen. Manchmal kommt mir der ungeheure Gedanke, wir lebten wieder in einem faschistischen Unrechtsstaat. Ich Dummerchen! Doch nicht 2028!

Ich streichle meiner Tochter übers Haar. Es ist blond und lang. Alle Mädchen müssen jetzt langes, blondes Haar tragen. Wegen des Frisurenerlasses, eines Trostpflaster für Alice Weidel. Alle deutschen Mädels sollen so aussehen wie Alice Weidel. Man kann darüber streiten, aber so weit ging nicht einmal Adolf Hitler. Der aber fühlte sich sicher geehrt, wenn er heute sehen würde, wie Höcke sich ein niedliches Hitlerbärtchen stehen lässt.

Wir gehen weiter. Immer mehr breiten sich die Zeltstädte am Straßenrand aus. Seitdem die Arbeitslosenversicherung zunächst privatisiert, dann komplett abgeschafft worden war, breitete sich insbesondere unter der AfD-Klientel massivste Armut aus. Da hatte wohl jemand nicht so richtig ins Wahlprogramm der neuen Faschisten geguckt. Das hat schon Komik, zumal man auch das vorher gewusst haben konnte. Zu Hunderttausenden verloren Menschen ihre sozialen Unterstützungsleistungen und damit auch ihre Dächer über den Köpfen. Und weil nach Abschaffung des Vereinsrechts – und damit aller, wirklich aller Vereine! – es auch keinerlei Hilfen mehr für Bedürftige gibt und geben darf!, wird erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder gehungert in diesem Land. Die Menschen sterben wie Fliegen am Straßenrand. „Guck nicht nach unten“, ist ein geflügeltes Wort geworden. Als Gag, denn man sagt inzwischen auch „Guck nicht nach oben“. Denn seit der ersten Säuberungswelle hängen die Gehenkten an Bäumen und Laternen. Wer noch nicht unten liegt oder oben hängt, guckt eben starr geradeaus, scherzhaft wird in diesem Zusammenhang von der „Neuen Mitte“ gesprochen.

Erstaunlich, denke ich. Die AfD hat wirklich alles umgesetzt, was sie vorher immer versprochen hatte! Damit konnte wirklich niemand rechnen. Obwohl es überall, wirklich überall schon 2025 und vorher zu lesen war. Kaum vorstellbar, dass das gleiche Volk zweimal auf braune Vollidioten reinfällt.

Spricht nicht für uns, oder?

Bleiben Sie bunt, bleiben Sie demokratisch und machen Sie Ihren Mund auf. Noch können Sie.

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