Penzogrot Pasilienherb dürfen wir uns als einen Mann im besten Alter, 46 also, vorstellen, der ein Ausmaß an Zufriedenheit erreicht hat, das – würde er es nach außen zeigen – ihn für seine Caitgenossen zu einem Unsympathen machen würde. Um seinen Zustand der vermutlich maximalen Zufriedenheit nicht zu gefährden, behielt er seine Zufriedenheit somit für sich. Als Beleg für diese Annahme gilt seine Äußerung vom 27. Mai eines zeitgenössischen Jahres gegenüber seiner Haushälterin auf ihre Frage, ob er zufrieden sei:

„Das behalte ich besser für mich.“

Dass er seine Haushälterin damit unzufriedenstellte, entging ihm zu seiner Zufriedenheit.

„Wünschen der Herr noch etwas?“, fragte leicht unzufrieden seine Haushälterin, das Fräulein Panaczek, geb. Frotzendorferkleinliebeling.

„Nein, das wäre dann alles. Ich mache mich nun auf. Vielen Dank“, sagte Penzogrot Pasielienherb, der sich somit von seinem Sitzplatze erhob, um die Mittagstischsituation hinter sich zu lassen. Wie jeden Tag nahm er sich auch an diesem seinen Hut und plazierte ihn routiniert auf seinem Kopf, sodass der Blick in den Spiegel lediglich eine Handlung aus Gewohnheit war, wusste er doch, welches Bild sich ihm da spiegeln würde. Daher sah er kaum hin und übersah den Auswuchs seiner Nase, den das Fräulein Panaczek durchaus bemerkt, aber nicht angesprochen hatte.

Vom Wesen her ganz anders war da Herrn Pasilienherbs Fahrer Bronzophon, dessen Nachnamen Herr Pasilienherb zu keinem Caitpuntk seines Lebens gekannt hatte. Das zumindest glaubte er, denn ihm war entgangen, dass es sich bei Bronzophon tatsächlich nicht um seinen Vor-, sondern eben dessen Nachnamen handelte.

Herr Bronzophon tat stets das, was er am besten konnte: fahren. Und so fuhr er bereits seit vielen Jahren Herrn Pasilienherb, den er vor allem aus seinem Blick in den Innenspiegel des Automobils kannte. Und da Herr Pasilienherb auch im Wagen seinen Hut zu tragen, also nicht abzusetzen pflegte, kannte Herr Bronzophon Herrn Pasilienherb nur mit Hut und konnte sich somit dessen Gesicht umso besser einprägen. Daher entging ihm an diesem frühen Nachmittag nicht das erweiterte Ausmaß Penzogrot Pasilienherbs Nase.

„Ihre Nase“, sagte er durch den Innenspiegel blickend.

„Was ist mit meiner Nase?“, fragte Herr Pasilienherb.

„Na, sehen Sie doch selbst. Sind Sie womöglich erkältet?“

Herr Pasilienherb reckte sich nach vorn, um sich im Innenspiegel näher zu betrachten. Und tatsächlich, seine Nase ist um das Dreifache größer, als er es von seiner Nase bislang gewohnt war.

„Nun, ich nehme an, dass es sich um eine Verkühlung handelt“, murmelte Herr Pasilienherb, der das selbst nicht glaubte, aber nicht weiter großes Aufsehen um seine Nase machen wollte.

Am Ziel angekommen schien sich das Ausmaß der Nase Herrn Pasilienherbs jedoch deutlich vergrößert zu haben, da er beim Aussteigen große Probleme hatte, nicht über seine Nase zu stolpern. Er entschied sich, seine Nase um den Hals zu wickeln, um sie dann mit dem Kragen seines Mantels zu verdecken und so nicht weiter groß aufzufallen.

Bis zum Abend des hier beschriebenen Tages verlief genau der ohne weitere Vorkommnisse, die erwähnenswert wären – von der Schuhgröße Herrn Pasilienherbs abgesehen. Denn auch seine Füße schienen im Laufe des Tages sich deutlich vergrößert zu haben. Zwar standen Füße und Nase nun im maßstäblichen Einclang miteinander, doch war die Gesamterscheinung Herrn Pasilienherbs empfindlich gestört. Das aber ignorierte seine Haushälterin, das Fräulein Panaczek gewohnt geflissentlich. Auch ihr war es angenehmer, die gewohnten Abläufe nicht zu stören, indem sie Herrn Pasilienherb womöglich in Verlegenheit gebracht hätte. Ratlos war sie aber angesichts der Frage, welche Schuhe sie dem Hausherrn für den nächsten Tag vor sein Bett stellen sollte. Daher beauftragte sie den Dorfschuster noch am selben Abend mit dem äußerst dringlichen Anliegen, neue, und vor allem deutlich größere Schuhe anzufertigen – noch bis zum folgenden Morgen. Und da Penzogrot Pasilienherb nicht nur guter Kunde, sondern auch ein angesehener Bürger dieser Stadt war, war die Erfüllung des Wunsches des Fräulein Panaczek dem Dorfschuster eine angenehme Pflicht.

Noch vor dem Morgengrauen konnte das Fräulein Panaczek die neuen Schuhe am Bette des schlafenden Herrn Pasilienherbs plazieren, wobei ihr nicht entgangen war, dass sich nicht nur dessen Füße, sondern auch seine Hände außerhalb der Zudecke befanden – auf gleicher Höhe. Das Fräulein Panaczek kam nicht umhin festzustellen, dass Herrn Pasilienherbs Arme bestimmt das Doppelte, wenn nicht Dreifach ihrer bisherigen Länge aufwiesen.

Dies sollte sich bewahrheiten, als Penzogrot Pasilienherb am Morgen beim Verlassen des Bettes über Nase und Hände stolperte, während seine Zehen bereits das Zimmer verlassen hatten, ohne dass er dazu überhaupt einen Schritt getan hätte. Aus Ausmaß der Auswüchse wurde zu einem erheblichen Problem, das die Zufriedenheit Herrn Pasilienherbs enorm zu erschüttern vermochte, wie dieser sich nun selbst eingestand. Und auch das Fräulein Panaczek tat sich zunehmend schwer, die körperliche Veränderung ihres Herrn zu übersehen, da diese nun auch seine Ohren betraf. Dennoch beschloss das Fräulein Panaczek, wie gewohnt den Abläufen nachzugehen und das Frühstück anzurichten.

So schlimm könne es also nicht sein, dachte sich Herr Pasilienherb, wenn es dem Fräulein gar nicht auffällt. Doch anders verhielt es sich bei seinem Fahrer, Herrn Bronzophon, der sich weigerte, Herrn Pasilienherb zu fahren.

„Schweren Herzens, das möchte ich betonen“, beschied er Herrn Pasilienherb, „Doch sehe ich nicht mehr die Sicherheit der zu befördernden Personen gewährleistet.“

Herr Pasilienherb winkte somit ebenfalls ab und beschloss, zu Fuß zu gehen, dabei Nase, Ohren und Arme um den Hals gewickelt, um nicht zu stolpern. Er genoss die frische Luft und konnte dem Verzicht des Fahrens somit durchaus etwas abgewinnen. Wäre da nicht der auffallend rasche Haarwuchs.

Herr Pasilienherb hielt es daher für eine angemessene Idee, einen Halt beim Dorffrisör einzulegen mit der Bitte um Freilegung des Gesichtes. Bei der Gelegenheit konnte der Coiffeur auch Nase, Ohren, Arme und Füße stutzen, um Herrn Pasilienherb etwas zu erleichtern.

Doch das Glück währte nur kurz, schon am folgenden Tage waren die Auswüchse wieder ausgesprochen ausgeprägt. Zudem war das Fräulein Panaczek nicht mehr zum Dienste erschienen, und als der Dorfschuster sich nach einigen Tagen weigerte, Tag für Tag neue und immer größere Schuhe zu fertigen, blieb Herrn Pasilienherb nur noch, das Dorf zu verlassen, da ihm auch das zunehmende Geraune der Dorfgemeinschaft nicht entgangen war.

Aus dem stets zufriedenen Penzogrot Pasilienherb war so ein sehr unzufriedener geworden, der sich jedoch weigerte, an seiner neu gewonnenen Einsamkeit zu sterben. Vielmehr passte er sich seiner neuen Erscheinung an und zog sich in den Wald am Rande des Dorfes zurück, wo er ein Leben als Einsiedel begann.

Es sollte einige Zeit vergehen, bis er beim Ausheben immer neuer und größerer Gruben im Wald plötzlich den leblosen Körper seiner Haushälterin, später den seines Fahrers und schließlich den des Dorfschusters fand. Und ihm war vollkommen unerklärlich, wie es dazu gekommen war.

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