Da sitzen wir nun. Meine Frau, unsere Tochter, Zacharias und ich: in einem Kerker in den Untiefen der Insel Sapristi vor der Küste Rutztekostan. Es waren nicht russische Scharfschützen, die uns aufzuhalten vermochten, es war nicht der rutztekostanische Monsun, den sie hier „Morgendusche“ nennen, nein, es war der frühere BND-Agent Cedric Malestoban, der sich als Doppelagent des russischen Geheimdienstes FSB entpuppt hat.

„Vermutlich werden wir hier natürlich in absehbarer Cait sterben“, fasse ich die Lage zusammen, „Nicht ohne Humor, wenn man bedenkt, dass vor drei Tagen noch das Wetter unser größtes Problem war.“

Wir alle müssen laut auflachen, wie in der letzten Szene einer Serienfolge, die ein erfolgreiches Abenteuer abrundet. Nur waren wir alles andere als erfolgreich.

„Sie werden gleich kommen und unsere Tochter holen“, fürchtet meine Frau.

Und sie hat Recht, denn alles, was den Russen noch fehlt, ist der meiner Tochter implantierte Chip mit den Bauplänen zur Vollendung der interplanetaren Hyperschallatomwasserstoffkernfusionssolarwindkraftrakete SF-3000.

Krchhch, klopf, krchhch …

„Was ist das?“, fragt Zacharias.

„Das kommt hier aus der Wand“, stelle ich fest und lausche den kratzenden Klopfgeräuschen. Plötzlich schiebt sich ein Stein aus der Mauer. Hände werden sichtbar.

„Warum kommen sie nicht einfach durch die Tür?“, frage ich, „Die spinnen, die Russen.“

Doch es ist kein Russe, der aus der Mauer kriecht. Das würde man ja sehen, da man, das wussten schon die Nazis, Nationalitäten und ethnische Zugehörigkeiten eindeutig an der phänotypischen Erscheinung erkennt.

„Habt keine Furcht, Freunde“, sagt die nicht-russische Gestalt, „Mein Name ist Abbé Faria. Wo bin ich hier? In Freiheit?“

„Freiheit ist relativ“, sage ich, „Es kommt darauf an, woher du kommst. Ich darf doch ‚du‘ sagen?“

„Nein. Gerne persie. Ich bin gefangener des Kerkers von Sapristi. Ich habe 30 Jahre lang diesen Tunnel hier gegraben, um in die Freiheit zu gelangen. Bin ich auf dem Festland?“

„Das wird jetzt übel, halten Sie sich fest“, erkläre ich, „Sie sind noch im Kerker. Sie müssen sich mit den Himmelsrichtungen vertan haben.“

„Das ist ja mal eine böse Überraschung“, klagt der Abbé.

„Vielleicht können wir mit Ihnen gemeinsam aus diesem Loch entkommen? Mit Ihrem Wissen!“, schlägt Zacharias vor.

„Du kannst mich gerne duzen“, erwidert Abbé.

„Wie, er darf Sie duzen und ich muss siezen?“, frage ich.

„So verhält es sich. Ich schlage vor, dass ich euer väterlicher Freund und Mentor werde. Euch lehre, was ich in den zurückliegenden Jahrzehnten mir selbst beigebracht habe. Allerdings bin ich krank. Mein nächster Anfall wird der letzte sein, denn dann werde ich tot sein. Uns bleibt also nicht viel Zeit.“

Plötzlich zuckt er, sein Blick wird starr und aus seinem Mund spritzt eine Fontäne aus weißem Schaum.

„Er hat einen Anfall!“, ruft Zacharias.

„Seine Prophezeiung tritt ein. Was für ein weiser Mann“, sage ich. Und dann stirbt Abbé.

„Was für ein Reinfall. Aber überlegt mal, wenn er seinen Tunnel in die richtige Richtung gegraben hätte, hätte er zwar die Freiheit erlangt, aber nur für wenige Minuten genießen können. So ist das, wenn man jahrzehntelang den falschen Zielen hinterherrennt!“

Es ist meine Frau, die die uns rettende Idee hat: „Wir schieben Abbé zurück in seine Zelle. Dort werden sie ihn in einen Leichensack einwickeln und ihn morgen früh über die Klippen ins Meer werfen. Doch bevor sie ihn entsorgen, werden wir uns in dem Leichensack verstecken. Auf die Weise gelingt uns die Flucht!“

„Aber passen wir zu fünft in den Sack? Mit dem Buggy unserer Tochter? Ich werde nicht ohne den Buggy gehen!“, sage ich.

„Wir rücken eben etwas zusammen“, antwortet meine Frau.

Am nächsten Morgen.

„Morgeeeeeen“, sage ich zu meinen Gefährten im Sack.

„Guten Morgen“, sagt mein Frau und auch Zacharias wird wach.

„Was für eine Nacht! Zu fünft in einem Leichensack. Leiche inkusive. Ich habe geschlafen wie ein Murmeltier. Hätte man gar nicht erwartet!“

Und auch ich bin erstaunt, wie muckelig die Nacht war. Und kurz nachdem meine Frau noch unsere Tochter gestillt hat, kommen auch schon die russischen Wärter, die den Leichensack auf eine Karre hieven.

… und uns über die Klippen in die raue sapristische See werfen. Mit einem Messer, das der tote Abbé bei sich trägt, befreit uns unsere Tochter, zehn Monate alt, aus dem feinen Zwirn des Todes und sagt dabei, was sie immer sagt, da sie nur dieses eine Wort (bislang!) beherrscht: „Ab.“

In unser aller Interesse kürze ich die Handlung ein wenig ab und findige Leser werden gemerkt haben, dass der Autor Alexandre Dumas die hier geschilderten Ereignisse für seinen größten Roman, den Grafen von Monte Christo, plagiiert hat. Daher schlage ich vor, Sie lesen zunächst jenen Klassiker der Weltliteratur und wir treffen uns hier wieder.

So, da sind wir also wieder. Wohl behalten nach der Rettung durch eine Schmugglerbande, haben wir das Festland erreicht. Und nun erlauben Sie mir einen Kniff, da mir gerade eingefallen ist, dass ursprünglicher Plan ja war, mit der interplanetaren Hyperschallatomwasserstoffkernfusionssolarwindkraftrakete SF-3000 zu flüchten. Die allerdings befindet sich ja auf der Insel, von der wir gerade geflüchtet waren.

„Leute“, sage ich also, „Riesen Denkfehler. Wir haben die Rakete vergessen. Wir müssen zurück.“

Zacharias schlägt sich mit der flachen Hand meiner Frau auf die Stirn meiner Tochter: „Ja, so was Doofes! Wie blöd kann man sein!“

Schnell rufen wir das Schmugglerboot zurück, das uns freundlicherweise zurück zur Kerkerinsel bringt. Dort treffen wir auch schon den angelnden Malestoban, der sich verwundert die Augen reibt, glaubte er uns ja noch in den Tiefen des Kerkers Sapristis.

„Ihr seid mir ja Hallodris!“, ruft er uns zu.

Wir wundern uns über seine Freundlichkeit.

„Ihr wundert euch über meine Freundlichkeit, darf ich annehmen? Nun, zu eurem Glück habe ich mit dem heutigen Tage mein Rentenalter erreicht. Der russische Geheimdienst hat mich entlassen. Ich bin Privatier.“

„Oh, Adiéu, Team Geheimdienst! Herzlichen Glückwunsch!“, sage ich. Und alle schütteln ihm die Hand.

Freundlicherweise übergibt er uns die Schlüssel zum Raketensilo – und einen wertvollen Tipp: „Den Chip, den eure Tochter unter ihrer Stirn trägt, den müsst ihr nur noch in den Speicherkartenschlitz der Rakete schieben, zack, könnt ihr losfliegen!“

„Der Chip ist gar kein Bauplan?“, ruft Zacharias aus allen Wolken fallend.

„Korrekt. Er ist ihr Zündschlüssel!“

Sofort machen wir uns auf in die Untiefen der Raketenforschungsstation, erreichen die gut ausgeschilderte Rakete, besteigen sie leicht aufgeregt und schieben unsere Tochter in das Kartenlesegerät, da wir ihr ja ungern die Haut von ihrer Stirn ziehen wollen, um an den Chip zu gelangen.

Die Motoren der Rakete starten und ich gebe das Ziel in das Zielerfassungsgerät ein. Da alles recht barrierefrei gestaltet ist, stellt all das keine Hürde für uns dar.

„Mond?“, ruft meine Frau erschrocken, als sie sieht, dass ich „Mond“ als Ziel eingebe.

„Richtig. Wir müssen zum Mond. Denn eines habe ich euch allen noch nicht verraten“, setze ich an.

„Ich weiß schon, Seppo, ich weiß“, sagt Zacharias, „die Mondbasis der AfD-Nazis.“

Was viele als Verschwörungstheorie oder gar leichtfertig als Filmstoff abtun, ist absolut wahr: Beatrix von Storch, genannt „die Grand Dame der Milchstraße“, unterhält auf dem Mond eine Nazi-Mondbasis.

„Warum denn auf dem Mond?!“, fragt meine Frau.

„Nur auf dem Mond macht eine Mondbasis Sinn“, erkläre ich.

Ergibt Sinn“, korrigiert mich meine Tochter.

„Diese Basis nennen die Nazis ‚Wahlkampfzentrale‘. Und sie müssen wir zerstören, damit es Jens Spahn 2029 unmöglich wird, als Juniorpartner eine blau-schwarze Koalition zu bilden“, kläre ich weiter auf.

Und so startet die Rakete Richtung Mond, was meiner Frau nicht vollumfänglich gefällt.

„Es sollte der erste Urlaub mit unserer kleinen Familie werden. Und nun fliegen wir zur Mondbasis der Nazis. Das ist doch alles richtig beschissen.“


Was für eine Wendung! Das Abenteuer geht weiter in die nächste Runde der